Direkt ins Gehirn.
Duft-Experte Miro Branimir Senjak über den unterschätzten Wert der Düfte im Verpackungsdesign und Chancen für Hersteller von Lebensmitteln: „Synästhesie als Produktentwicklungsmethode zu verwenden bietet unendliche Chancen und ermöglicht eine authentische Erfahrung vom Produkt am Point of Sale.“
Wie schmeckt, also wie riecht das Getränk? Welche Farbe hat der Geruch? Wie fühlt sich der Geruch an? Welchen Ton gibt es von sich?…
Der Geruchssinn ist evolutionsbiologisch einer der ältesten Sinne und wird daher auch Ursinn genannt. Die wichtigsten Funktionen des Geruchssinnes sind zum einen die sinnliche Wahrnehmung von genussvollen Lebensmitteln, betörenden Blüten in der Natur und anziehenden Menschen sowie zum anderen die Warnung vor Gefahren, wie dem Geruch von verdorbenen Lebensmitteln oder von Rauch bei Bränden. Somit ist Geruch ein sehr intuitives Kommunikationsmittel der Umwelt an uns Menschen für Anziehung und Abstoßung. Der Geruchssinn ist der einzige Sinn, der direkt ins limbische System weitergeleitet wird, ohne dass andere Nervenzellen dazwischengeschaltet sind. Im limbischen System erzeugt der Geruchsimpuls dann direkt eine Emotion.
Wenn man sich den Verpackungsmarkt im Bereich Food & Beverage anschaut, wird der Schwerpunkt auf den visuellen Reiz gelegt. Besonders Neulancierungen müssen das Interesse der Kunde wecken und neugierig zum Kauf verleiten. Seit vielen Jahren spielt neben dem visuellen Verpackungsdesign die Haptik eine immer wichtigere Rolle. Durch verschiedene Papieroberflächen, Prägetechniken und Veredelungen zählt die haptische Wahrnehmung der Verpackung zur zweiten Dimension des multisensorischen Erlebens von Marken.
Neben der Akustik ist vor allem der Geruch ein noch viel zu wenig genutztes Tool für die Vermarktung von Verpackungen. Der Mensch besitzt fünf verschiedene Geschmacksrezeptoren auf der Zunge, nämlich salzig, süß, sauer, bitter und umami. Bei einem starken Schnupfen fehlt beim Essen und Trinken der Geruchssinn mit seinen über 350 verschiedenen Geruchsrezeptoren. Es wirkt wie ein schwarz-weiß Bild, dass ohne Farbe nur etwas über 1% erlebbar ist, wenn man die verschiedenen Rezeptorarten Geschmack zu Geruch ins Verhältnis 5:350 setzt.
Düfte beim Unpacking freisetzen
Es ist also an der Zeit, den Fokus auf die 99% zu lenken. Eine gute Möglichkeit bietet hier das Aufdrucken von verkapselten Duftstoffen, die beim Bersten freigesetzt werden. Dies kann unter einer Perforierung oder als Rubbelfeld auf der Verpackung aufgedruckt werden. Eine weitere Möglichkeit bietet das Einarbeiten der Duftstoffe in den Klebstoff. Die Firma APPLE achtet schon seit Jahren auf einen angenehmen Klebstoffduft für die Verpackungen, der technisch-frisch riecht und leicht an die fruchtig-grüne Kopfnote von Ananas erinnert, wie der Duftrohstoff Cyclogalbanate – der Duft nach innovativer Technik. Es kommen regelmäßig neue Duftrohstoffe auf den Markt, die immer stabiler und hautverträglicher werden und sich problemlos verkapseln oder weiterverarbeiten lassen.
Speziell im Bereich Food & Beverage steckt der gezielte Einsatz von Duftstoffen in der Verpackung noch in den Kinderschuhen. Der große Trend ist hier Synästhesie, also die Übersetzung des Markenkerns in alle Sinneskanäle. Hier sollte der Geschmackssinn, der zu 99% aus Geruch besteht den Ton angeben. Die Hersteller sollten sich die Fragen stellen: Wie schmeckt, also wie riecht das Getränk? Welche Farbe hat der Geruch? Wie fühlt sich der Geruch an? Welchen Ton gibt es von sich?…
Synästhesie als Produktentwicklungsmethode zu verwenden bietet unendliche Chancen und ermöglicht eine authentische Erfahrung vom Produkt am Point of Sale. Wir leben in einer Zeit, in der so viel Wissen abrufbereit ist, wie noch nie zuvor. Es gilt nun dieses Wissen zu vernetzen und die Technik weiterzuentwickeln, um die Innovationen realisieren zu können.
Miro Branimir Senjak, April 2021
Über den Autor: Miro Branimir Senjak ist ein erfahrener Duft-Marketeer und ausgebildeter Parfümeur mit eigenem Duft-Labor in Zürich. Dort entstehen trendige, individuelle, wie auch konzeptionelle Duftkreationen der Zukunft.
